Lebensmittelhilfe unterstützt Armutsbetroffene

    Wenn der Kühlschrank leer ist…

    Cartons du Coeur kämpft kostenlos und diskret gegen die versteckte Armut im Kanton Aargau. Die Lebensmittelhilfe unterstützt Armutsbetroffene, die durch das soziale Netz gefallen sind, schnell und unbürokratisch und versorgt sie mit Esswaren. Im letzten Jahr wurden 74 Tonnen Nahrungsmittel verteilt und damit in 1800 Haushaltungen im Kanton Hilfe geleistet.

    (Bilder: zVg) Mit Herz für Menschen in Not: Die wichtige soziale Einrichtung lebt nur von Spenden und dem freiwilligen und kostenlosen Einsatz der 120 aktiven Vereinsmitglieder und Helfer. Ganz links Pierre Tschumper.

    «Vielen Dank für die wunderbaren Sachen, die ich alle sehr gerne mag und sehr gut gebrauchen kann. Schön, dass es euch gibt. Ganz liebe Grüsse M.S. mit Hündchen», so dankt eine hilfsbedürftige Person in den sozialen Medien der Lebensmittelhilfe-Organisation Cartons du Coeur. Armut ist in der Schweiz oft nicht sichtbar. Der Schweiz geht es richtig gut, sie gehört weltweit zu den reichsten Ländern. Die Finanzkrise hat sie gut weggesteckt und auch den Frankenschock besser verkraftet als erwartet. Dank dem dualen Bildungssystem, das zu ihrem Erfolgsmodell gehört, ist die Arbeitslosenquote relativ gering. Und doch sind laut Bundesamt für Statistik rund 570’000 Personen in der Schweiz von Armut betroffen und 14,7 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht. «Jeder Dreizehnte der Bevölkerung in unserem wohlhabenden Land lebt, oft ohne eigenes Verschulden, unter der Armutsgrenze. Ungenügende, nicht ausgewogene Ernährung ist die Folge», erklärt Pierre Tschumper, Vorstandsmitglied von Cartons du Coeur Aargau. Armut ist mehr als eine finanzielle Notlage. «Es kann bedeuten, lange eine Arbeit zu suchen, keine zu finden und ausgesteuert zu werden; trotz Schmerzen nicht zum Arzt zu gehen, um Kosten zu sparen; keine Ausbildung und keine Perspektiven», so Tschumper und er ergänzt: «Es bedeutet vor allem, nicht an der Gesellschaft teilhaben zu können.» Tschumper ist durch eine öffentliche Sammlung auf die Aargauer Lebensmittelhilfe aufmerksam geworden. Er wollte sich auch bei der «guten Sache» engagieren und ist seit sieben Jahren im Vorstand und für die Finanzen zuständig.

    Gefragter denn je
    Cartons du Coeur gibt es im Kanton Aargau schon seit 22 Jahren (vgl. Kasten). Die Lebensmittelhilfe-Organisation ist gefragter denn je, das zeigen die Rekordzahlen 2018 mit überbrachten 1800 Lieferungen an die Bedürftigen im Kanton Aargau. «Das sind rund 1000 Familien, die von uns mit Lebensmitteln unterstützt worden sind», so Tschumper. «Die Lieferungen sind in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Angefangen haben wir mit 110 Lieferungen, die sich 2012 bereits auf 1400 gesteigert haben.» Da frage man sich schon, warum das Einkommen so vieler Leute – mindestens die Hälfte sind Schweizer – nicht ausreiche, um sich Lebensmittel zu kaufen, und dass Familien ihre Kinder nicht ausreichend ernähren können», so Siegfried Stich, Mitglied von Cartons du Coeur und verantwortlich für die PR-Arbeit.

    Not mit Lebensmittelpaketen lindern: In diesem Jahr wurden bereits 50 Hilfsbedürftige mehr als im Vorjahr mit Esswaren beliefert.

    Schnelle, unbürokratische Nothilfe
    Zwischen 2000 und 2500 Anrufe gehen jährlich auf der Telefonzentrale ein. «Unser Telefondienst ist die erste Anlaufstelle für die Bedürftigen», so Tschumper. In einem wohlwollenden Gespräch und einem respektvollen Umgang werden die Umstände erfragt und entschieden, ob eine Lieferung zugesprochen werden kann. Natürlich wird auch Kontrolle geführt. «Wir bieten keine Dauerhilfe, sondern eine punktuelle Nothilfe. Unsere Unterstützung basiert hauptsächlich auf Vertrauen», stellt Tschumper fest. Ein Viertel der Belieferten sind nach ein- bis zweimaliger Unterstützung wieder auf den Beinen. «Wir helfen ohne Bürokratie und Formulare, kostenlos, anonym, schnell und direkt», betont Stich. Die Empfänger der mehreren Kilogramm Grundnahrungsmittel – zwischen 25 – 60 Kg pro Lieferung – sind arbeitslos gewordene und ausgesteuerte Personen, Alleinerziehende, durch Krankheit in Not geratene Familien sowie hilflose, einsame und verzweifelte Menschen ohne Beziehungsnetz. Die Organisation der Lebensmittelieferung spielt sich folgendermassen ab: Der Telefondienst sucht einen Lieferer in der Nähe des «Kunden», der die Möglichkeit hat, die Lieferung in den nächsten drei bis vier Tagen auszuführen. Der Lieferer bestellt beim Vertragspartner MIGROS zwei Tage vor der Lieferung die bestellte Frischware. «Eine Lieferung besteht immer aus haltbaren und frischen Lebensmitteln. Die MIGROS stellt uns die Ware zusammen. Mit dieser Organisation leistet sie einen erheblichen Beitrag an Cartons du Coeur», sagt Tschumper. Die Ware wird dann zum vereinbarten Termin direkt nach Hause geliefert. Haltbare, gesammelte Ware wird im Zentrallager in Gränichen oder in den beiden Aussenlagern in Neuenhof und Rothrist aufbewahrt und für die Lieferung verwendet.

    Unvergessliche Begegnungen
    Regelmässig werden bis zu 25 Sammlungen durchgeführt, sei es durch Serviceclubs, Vereine oder Schulklassen. «Lebensmittelsammlungen für Cartons du Coeur haben primär das Ziel, unseren Einkaufsaufwand zu entlasten. Im letzten Jahr wurden 22’704 Kg Lebensmittel und 12’239 Franken Bareinnahmen gesammelt», so Tschumper. «Sammlungen haben aber auch den Nebeneffekt, dass viele Leute angesprochen und auf die Bedürfnisse, aber auch Hilfemöglichkeiten aufmerksam gemacht werden», sagt Stich. Lebensmittelsammlungen vermitteln unvergessliche positive Erlebnisse. Immer wieder hören die Mitglieder von Cartons du Coeur Aussagen wie: «Schön, dass es Leute gibt, die sich um Notdürftige kümmern», oder «da helfe ich gerne mit». In bleibender Erinnerung ist Pierre Tschumper eine Mutter mit Kindern, die vor Freude und Erleichterung, dass sie nun endlich etwas zu Essen bekamen, weinten. «Eine Frau hat mir an einer Sammlung 20 Franken gegeben und dazu gemeint: Ihr habt mich mal unterstützt, jetzt kann ich danke sagen und etwas zurückgeben.» Dies seien immer unvergessliche Erlebnisse. Es gibt ein gutes Gefühl, die Not dieser Menschen ein wenig lindern und ihnen in ihrer oft sehr schwierigen Situation einen Funken Hoffnung geben zu können, so Tschumper.

    Wie sehr es die Dienstleistungen von Cartons du Coeur braucht, beweist die Tatsache, dass in den Monaten Januar bis März 2019 die Lieferungen bereits um 13 Prozent gesteigert wurden, was auch dieses Jahr für einen neuen Rekord sorgen wird.

    Corinne Remund

    www.cartonsducoeur-aargau.ch

    Wenn Sie sich in einer Notlage befinden oder aktiv helfen wollen – melden Sie sich telefonisch:
    Aargau Ost: 079 243 27 59, Aargau West: 079 781 76 59
    Konto für Spenden: PC 18-465936-9, IBAN CH09 0900 0000 1846 5936 9


    Cartons du Coeur Lebensmittelhilfe Aargau

    Cartons du Coeur wurde 1993 im Kanton Neuenburg gegründet und 1997 durch die Eglise française en Argovie im Kanton Aargau aktiviert. Es ist eine Organisation Freiwilliger, welche selbstlos Familien und Einzelpersonen, die sich in einer Notlage befinden, mit Lebensmitteln unterstützen. Die Lebensmittelhilfe Aargau wurde vom Unternehmen VBAU mit dem Prix Felz 2018 ausgezeichnet.

    Fakten:

    • rund 1800 Lebensmittellieferungen pro Jahr
    • ein Drittel davon sind Erstlieferungen
    • durchschnittlich 150 Lieferungen pro Monat
    • 74 Tonnen verteilte Lebensmittel in einem Jahr
    • 80 Freiwillige sorgen für die Zustellung
    • 97 Prozent der Geldspenden kommen Notleidenden zugute
    Vorheriger ArtikelVereinsfest im Tägipark
    Nächster ArtikelDer «klassische» Weg zur Karriere in der Erwachsenenbildung