«Stell Dir vor, es sind Wahlen, und keiner geht abstimmen»

    KOLUMNE:


    Jugend von heute

    Stellt euch vor, man hätte euch früher einfach euer Sackgeld gestrichen. Hättet ihr dies einfach so hingenommen? Oder hättet ihr dafür gekämpft, dies zu verhindern?

    In anderen Ländern hättet ihr in dieser Diskussion kein Mitbestimmungsrecht, hier in der Schweiz dürfte dies aber nur mit eurer Zustimmung geschehen. Am 9. Juni stehen wieder die Volksabstimmungen an. Dabei dreht sich alles um folgende vier Brennpunkte: Erhöhung der Prämienverbilligung durch Kanton und Bund, Einführung einer Kostenbremse bzgl. der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung, Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit nur unter Zustimmung der betroffenen Person und Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Zwar sind diese Themen recht komplex zu verstehen, aber eigentlich haben sie auf unsere Zukunft einen genauso grossen Einfluss auf unser Leben, wie früher unser Sackgeld. Zwar nicht immer sichtbar, dennoch spürbar.

    Das Privileg unsere Zukunft mitbestimmen zu können, gibt es nicht in vielen Ländern. Seit mehr als einem Jahrzehnt untergräbt die Regierung von Viktor Orbán immer wieder die Voraussetzungen für eine faire, unparteiische und ausgewogene Berichterstattung in den Medien. In Nordkorea regiert seit 1948 die «Paektu-Blutlinie», seit 2011 ist dies Kim Jong-Un. In Russland fanden im März die Präsidentschaftswahlen statt – ein abgekartetes Spiel! Während man in Deutschland nur über die Mitglieder des Bundestags abstimmen darf, stimmt man hier in der direkten Demokratie ebenfalls über Gesetzesänderungen ab. Mit unserer direkten Demokratie stellen wir also eine Ausnahme dar. Wir müssen uns nicht auf Abgeordnete verlassen, sondern können unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen und verändern.
    Dennoch zeigen aktuelle Umfragen, dass immer noch nicht genügend Menschen wählen gehen. 2023 betrug der Wähleranteil an den eidgenössischen Volksabstimmungen lediglich 42,5 Prozent. Eine Zahl, die Sorgen bereitet. Auch mein politisches Interesse hielt sich, als ich jüngerr war, stark in Grenzen. Ich verstand nur Bahnhof, wenn sich meine Eltern über die kommenden Abstimmungen unterhielten. Aber je mehr ich mich darauf einliess und in die Vorlagen einlas, desto interessanter wurde es. Denn schliesslich geht es bei diesen Abstimmungen um unsere Zukunft.

    Wir tragen aber nicht nur eine Verantwortung für unser eigenes Leben, sondern ich finde auch für den Rest der Welt. Letztens las ich eine Kolumne, in der ein Deutscher sagte, dass man seiner Meinung nach in der Schweiz zu viel abstimmen müsse. Dass man überfordert sei, sehe man an der niedrigen Stimmbeteiligung. Die direkte Demokratie sei also gar nicht so gut, wie man eigentlich meine. Wollen wir der Welt wirklich dieses Signal senden? Dass man hier in der Schweiz zu viel mitbestimmen darf? Dass eine Demokratie Grenzen hat? Für mich ist die Antwort ganz klar nein. Wir müssen dieses Privileg pflegen. Auch wenn für Jugendliche die Abstimmungen vielleicht zu politisch und uninteressant sind, am Ende müssen wir alle die Konsequenzen ausbaden. Ein Gang an die Urne lohnt sich deshalb immer, egal, ob Jung oder Alt, ob politikinteressiert oder nicht.

    Übrigens, Politik kann auch richtig unterhaltsam sein. Vor allem in Diskussionsrunden, wenn Parteigegner aufeinandertreffen, erinnert es mich fast ein bisschen an Trash-TV, halt nur mit viel mehr Einfluss auf unser Leben und unsere Zukunft.

    Herzlichst
    Lilly Rüdel

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