Jahresversammlung der PERSPECTIVE CH
Das Forum der Weltoffenheit Perspective CH lud kürzlich zur traditionellen Jahresversammlung im Gasthof Ochsen in Lupfig. Dabei kritisierten der Aargauer Unternehmer Hans-Jörg Bertschi sowie der Ökonom Beat Kappeler unter dem Thema «Verhältnis Schweiz – EU» das EU-Verhandlungsmandat harsch. Beide empfehlen, die Schweiz solle ihre Souveränität bewusst bilateral und situativ mit der EU koordinieren und nicht zu einem Satellitenstaat werden.
Reto Caprez, Präsident von Perspective CH, freute sich über das zahlreich erschienene Publikum, darunter waren auch Parlamentarier wie Nationalrat Christoph Riner sowie die ehemaligen Nationalräte Maximilian Reimann und Luzi Stamm. Das Seilziehen mit der EU um das Rahmenabkommen ist zurzeit in vollem Gang. Das Forum der Weltoffenheit Perspective CH richtete den Fokus auf dieses brandaktuelle Schweizer Jahrhundertereignis. Dabei nahmen Dr. Beat Kappeler sowie Dr. Hans-Jörg Bertschi, Vizepräsident Perspective CH, das «Verhältnis Schweiz – EU» etwas genauer unter die Lupe. Der renommierte Ökonom Dr. h.c. Beat Kappeler kritisierte das EU-Verhandlungsmandat massiv. In seinem Gastreferat unter dem Titel «Aktueller Stand – wie weiter» blickte er zurück zu den Anfängen der EU bzw. EWG/EG und schlug dann den Bogen zum heutigen Stand der momentanen Verhandlungen. «Es ist wichtig den Vertragspartner zu kennen», so Kappeler. Ursprünglich ist die EWG/ EG ein perfekt eingerichteter Binnenmarkt gewesen – ein Freihandelsraum, der wie die EFTA oder die heutige asiatische Freihandelszone keine Behörde benötigte. «Die EU entwickelte sich zu einem Staatenwesen mit einem immer grösseren und dichteren Regulierungsnetz», stellte Kappeler fest. Der Ökonom zeigte die drei Fussangeln des heutigen Vertragsentwurfes auf: «Die EU verlangt die dynamische Übernahme allen künftigen Binnenmarktrechts, ohne dass man dies heute kennt. Die Schweiz verliert so ihre souveräne Gesetzgebung. Das gibt es in keinem Handelsvertrag», sagt Kapeller. «Zweitens soll der EuGH, das Gericht der Gegenseite, das letzte Wort bei Streitigkeiten haben. Auch das gibt es in keinem Handelsvertrag. Dies hebelt die Volksrechte aus. Drittens soll die Schweiz hohe «Kohäsionszahlungen» leisten, was kein Handelsvertrag kennt. Diese Richtlinienwelle wurde über alle EU-Firmen verhängt, sie gelten aber auch für alle Schweizer Firmen, wenn die bedingungslose Rechtsübernahme beschlossen würde», schliesst der originelle Denker.
Mit einem sinkenden Schiff absaufen?
Beispiele solch invasiver, detailliertester Richtlinien sind das «Binnenmarktnotfallinstrument, womit die EU Kontingentierungen, Informationen, etc. verhängen kann. Die Reparatur-Richtlinie, die Firmen zwingt, Geräte zurückzunehmen, ist ein weiteres Beispiel für die typische EU-Regelwut. Die Ökodesign Verordnung verbietet ab 2030 die Vernichtung von Kleidern und Geräten, die nicht verkauft werden. Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zwingt alle Firmen mit über 250 Mitarbeitern oder 40 Millionen Euro Umsatz, jährlich in 1144 Punkten zu berichten über Arbeitnehmer, Menschenrechte etc. und räumt NGO’s, ein Klagerecht, ein. «Alle diese Zwänge, ihre laufenden Verschärfungen und alle noch unbekannten künftigen neuen Richtlinien führen weit über unsere freiheitlichere Marktordnung hinaus. Zu den älteren Vorschriften kommen Arbeitszeiten, Mindestlöhnen, «Zugang zum Sozialschutz», «Austausch von Finanzdaten» hinzu – und gelten eben für alle Firmen», so das Fazit des leidenschaftlichen Publizisten. Die Dreistigkeit der EU gipfelt sich in ihrer Steuerforderungen an die Schweiz. «Wir sollen Steuern an EU-Bürgern oder Objekten in unserem Land eintreiben und der EU abliefern – damit soll fremdes Recht in unserem Land gelten», sagt Kappeler und er folgert: «Die EU ist hochverschuldet, hochreguliert, wirtschaftlich stagnierend und überaltert. Binden wir uns an die EU, so ist dies, als ob wir als Beiboot mit diesem sinkenden Schiff mituntergehen.» Mit diesem Bild schloss Kappeler, um noch neckisch nachzufügen: «Der dümmste Esel bleibt, wer Ungelesenes unterschreibt. Wir sollten die Verträge genau lesen, auch das Kleingedruckte.»
EU – Innovations- und Bürokratiewüste
Auch der Aargauer Unternehmer Hans-Jörg Bertschi hat grosse Bedenken bezüglich des neuen Rahmenabkommens. Der Vize-Präsident von Perspective CH und Co-Präsident von Autonomiesuisse ist einer der bestens Kenner der alten und neuen Verträge mit der EU. Er weiss aus dem Effeff, was es heisst, in der Europäischen Union Geschäfte zu machen. Seine Firma – die Bertschi AG – ist ein führender, weltweit tätiger Logistiker und er erzielt seinen Umsatz grösstenteils im Export. Bertschi kennt deshalb die Stärken des Binnenmarktes, wie auch dessen Schwächen. «Die meisten wissen nicht, wie die EU funktioniert», so Bertschi. «Die EU ist eine Bürokratie- und Innovationswüste» Die Schweiz hat im Ranking der wirtschaftlichen Freiheit Platz 5. «Demokratie und wirtschaftliche Freihielt bringen Wohlstand, wie wir ihn in der Schweiz haben.» Und er ergänzt: «Die EU kann auch mit den USA wirtschaftlich nicht mithalten.» Die Schweiz ist zudem in den letzten drei Jahren 40 Prozent mehr gewachsen als die EU. Sein Fazit: «Wir müssen und können ohne diese neuen Verträge leben. Wir dürfen nicht die grössten Vorzüge der Schweiz, ihre liberalen Rahmenbedingungen, einem untauglichen Abkommen opfern.» Seine Vision: «Eine weltoffene erfolgreiche, freie Schweiz, die ein partnerschaftliches Verhältnis zur EU hat.»
Bertschi forderte die Zuhörerinnen und Zuhörer auf, mit voller Kraft gegen den EU- Rahmenvertrag 2.0 zu kämpfen und die Kompass-Initiative, die ein Ständemehr bei einer allfälligen Abstimmung verlangt, zu unterschreiben. Er ist wie auch Beat Kappeler überzeugt, dass das Volk keinen EU-Beitritt durch die Hintertür will und das Referendum gegen ein solches Abkommen so klar ist, wie das Amen in der Kirche.
Corinne Remund
Zur Person: Dr. Beat Kappeler (1946) studierte Weltwirtschaft und Völkerrecht an der Universität Genf. Er ist als freier Wirtschaftsjournalist tätig. Er war von 1977 bis 1992 Sekretär des Gewerkschaftsbundes, betraut mit Liberalisierungsdossiers. Seit 1992 ist er Wirtschaftskommentator, zuerst bei der alten Weltwoche, und 2002 bis 2018 bei der NZZ am Sonntag. Er wurde mit dem Zürcher Journalistenpreis ausgezeichnet. Von 1996 bis 2000 war er Professor für Sozialpolitik am IDHEAP, Universität Lausanne, und Mitglied der Eidg. Kommunikationskommission. Sein Weg führt ihn durch rund 30 staatliche Kommissionen.
www.beatkappeler.info
Zur Person Hans-Jörg Bertschi: Der Schweizer Betriebsökonom und Manager von Logistikunternehmen ist Verwaltungsratspräsident des Familienunternehmens Bertschi AG und von Hupac. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Dürrenäsch wurde 1956 gegründet und beschäftigt 3’200 Mitarbeitende an 78 Standorten in 39 Staaten. Als Vorstandsmitglied von Perspective Schweiz und Co-Präsident der Vereinigung Autonomiesuisse engagiert er sich auch für politische Anliegen der Schweiz, insbesondere für die Verhandlungen mit der Europäischen Union.
www.bertschi.com
PERSPECTIVE CH – Forum für Weltoffenheit und Souveränität
Die politische Bewegung PERSPECTIVE CH wurde mit der Zielsetzung gegründet, über die Chancen eines Wegs der Weltoffenheit und der staatlichen Souveränität ausserhalb von Wirtschaftsblöcken und politischen Machtballungen zu informieren. Darüber hinaus will PERSPECTIVE CH Anregungen zur konkreten Ausgestaltung dieser Alternative geben.
In diesem Sinn möchte PERSPECTIVE CH einen zuversichtlichen Kontrapunkt setzen zur langfristigen, auf den EU-Beitritt ausgerichteten Integrationspolitik des Bundes. Unser Forum lehnt den Beitritt zur Europäischen Union, sofern sich diese nach den Zielvorgaben von Maastricht entwickelt, ab.
PERSPECTIVE CH setzt sich dafür ein, dass unser Land weiterhin eigenständig über die Art und Weise seiner Beziehungen mit Europa und der Welt entscheiden kann.