Warum «Bethlehem» im Aargau liegt und was «Wiehnachte» in Beinwil heisst

    Rumpel, Ankeland, Grindwäschi und Güggehü – Flurnamen umgeben uns allgegenwärtig. Doch was genau heisst Spieldruckewinkel und warum liegt Bethlehem im Aargau? Ist es auf der Liebrüti besonders lieblich oder muss in der Kapelle in Leidikon gelitten werden? Antworten dazu geben die zahlreichen, mitunter auch lustigen Flurnamen.

    (Bilder: zVg) Das Quartier Spieldruckenwinkel in Sarmentorf.

    Flurnamen bezeichnen kleine Landschaftsteile. Sie geben etwa Wäldern, Wiesen oder Äckern einen Namen und helfen somit den Menschen, sich im Raum zu orientieren. Bei einigen Flurnamen ist die ursprüngliche Bedeutung noch heute leicht verständlich. Auf der «Schafmatt» (Merenschwand) weiden Schafe, der «Grossacker» ist flächenmässig gross, auf der Flur «Reben» (Hornussen) wachsen Reben und im «Eichholz» (Waltenschwil) stehen Eichen. Flurnamen geben Auskunft über den Verwendungszweck, über die Vegetation oder über das Ausmass einer Flur. Die Flurnamen sind dabei das umfangreichste Namengut der Schweiz und gelten als immaterielles Kulturerbe. Flurnamen werden meist von Generation zu Generation mündlich weitergegeben und enthalten somit mundartliche Schreibweisen und «alte», heute oftmals nicht mehr verstandene schweizerdeutsche Ausdrücke, die mitunter als lustig wahrgenommen werden. Wie etwa die «Schweini», der «Rumpel» oder der «Spieldruckenwinkel». Und hier kommt der Namenforscher ins Spiel, der detektivisch nach der möglichst erstmaligen Benennung in Archiven in unterschiedlichen Dokumenten forscht, um die ursprüngliche Bedeutung eines Namens zu rekonstruieren. Dann wird klar, dass etwa das Quartier Liebrüti in Frick nicht lieblich ist, sondern auf einen Personennamen Philippe zurück geht. Historische Belege zeigen die Form Lipprüti, wobei Lipp eine Koseform von Philippe ist. Beim Spieldruckenwinkel in Sarmenstorf ist es ein wenig schwieriger. Der Name hat dabei nichts mit einem «Spieldrückli» (Musikdose) zu tun, da der Name älter als die Erfindung der Musikdose ist. Vielmehr muss der Spieldruckenwinkel in «Spilt» (schweizerdeutscher Ausdruck für Holz spalten) und Rucke (Rücken) zerlegt werden. Es handelt sich bei diesem Namen also um eine Geländeerhebung auf der Holz gespalten wurde oder die topographisch auffallend gespalten ist.

    Einige Flurnamen gehen auch auf verschwundene Siedlungen zurück, die heute nicht mehr als Ortsnamen überliefert sind. Etwa der Name Leidikon bei Sulz bei Laufenburg, der auf eine ehemalige Siedlung verweist, in der die Sippschaft einer Person namens Laidolf gewohnt hatte. Die Endung -ikon weist dabei auf eine alemannische Besiedlung hin, die wohl im 6. oder 7. Jahrhundert entstanden ist. Die Kapelle, die auf der Flur Leidikon steht ist zudem dem Heiligen Sankt Nikolaus geweiht, der auch zahlreichen weiteren Kirchen seinen Namen gab.

    Die Sankt Nikolaus Kapelle in Leidikon; der Name verweist auf eine ehemalige Siedlung.

    Bethlehem liegt im Aargau
    Nebst den Nikolaus-Kapellen, finden sich weitere weihnächtliche Flurnamen in der Landschaft. In Dietwil liegt beispielsweise die Flur namens Bethlehem. Der Flurname Betlehem erscheint im deutschschweizerischen Namengut auffallend häufig. In den meisten Fällen dürfte es sich um religiös motivierte Benennungen handeln und dabei wie in der Bibel überliefert auf den Geburtsort von Jesus Christus verweisen. Bethlehem kann im Schweizerdeutschen aber auch redensartlich an betteln angelehnt werden und somit in Zusammenhang mit Armut stehen. Die Nachbenennung eines Ortes durch exotische Ortsnamen ist in der Neuzeit häufig und ihr Motiv nicht immer leicht zu rekonstruieren. Vielleicht war ein ehemaliger Hof an diesem Standort in Dietwil früher ärmlich, oder ein ehemaliger Stall mit Krippe erinnerte an das biblische Bethlehem.

    Das Quartier Liebrüti in Kaiseraugst hat nichts mit Liebe zu tun, sondern mit dem Namen Philippe.

    In Beinwil findet sich gar eine Flur namens «Wiehnacht». Den Namen gibt es nur dreimal in der Schweiz; in Glarus, Lutzenberg (AR) und Beinwil (AG) gibt. Das Wort Weihnachten bedeutet so viel wie heilige Nacht und geht auf das althochdeutsche Wort «wih» für heilig sowie «naht» für Nacht zurück. Orte, die so benannt worden sind, haben einen Bezug zu Weihnachten oder aber bezeichnen ein Grundstück, dessen Abgabe an Weihnachten entrichtet werden musste. Der Weihnachtstag ist als mittelalterlicher Zinstermin in den Habsburgischen Urbaren einschlägig bezeugt. Die Zahlung der bäuerlichen Gemeinschaft war in der Regel an ein bis zwei Tagen im Jahr fällig. Meistens an Ostern, Walpurgis (1. Mai), Michaelis (29. September), Johannis (24. Juni), Martini (11. November) oder an Weihnachten.

    Wer nun den Samichlaus verpasst hat, darf ihn gerne im «Samichlause» in Döttingen suchen oder geht bereits jetzt schon auf dem «Königsacher» in Oberentfelden auf die Suche nach Kaspar, Melchior und Balthasar. Wer wissen will, warum die Namen so heissen, darf sich unter www.aargauer-namenbuch.ch schlau machen.

    Beatrice Hofmann-Wiggenhauser

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